Menopause: Hormone in Aufruhr

Rund neun Millionen Frauen befinden sich in Deutschland gerade in den Wechseljahren – und rund ein Drittel davon leidet unter unberechenbaren Hitzewallungen. Wie kann man ihnen helfen? Hormonexpertin Nina Rogenhofer geht dieser Frage am Klinikum Großhadern nach.

Blume in Nahaufnahme
© Susan Wilkinson / unsplash

Wer mit Nina Rogenhofer sprechen will, muss den orangefarbenen Punkten folgen. Sie tüpfeln den Weg zum Hormon- und Kinderwunschzentrum der LMU, knallbunt auf fahlem Grau, eine Orientierungshilfe auf dem als Patientenstraße bekannten, gefühlt endlosen Flur im Klinikum Großhadern. „Noch ein Stück geradeaus und dann die letzte Tür rechts vor der Ecke“, sagt ein junger Pfleger, der bei der Suche hilft. „Warm, wärmer, heiß“, ruft er lotsend über den Flur, bis endlich die richtige Tür im Blickfeld auftaucht – und weiß dabei gar nicht, wie passend seine Worte sind.

Keine Ausgabe mehr verpassen: Jetzt Digital-Magazin abonnieren!

Weiterlesen

Hormone nehmen keine Rücksicht auf Termine

Um Hitze nämlich soll es bei dem Gespräch gehen. Um eine besondere Form davon. Eine, die aus dem Nichts kommt: Ohne jede Vorwarnung, ohne erkennbaren Auslöser und mit brutaler Wucht. Um Hitze, die dunkle Röte ins Gesicht treibt, das Herz rasen lässt, minutenlang Schweiß aus den Poren drückt und Haare und Kleidung durchnässt. Alles klebt, nichts hilft. „Und jetzt stellen Sie sich vor, Sie sitzen gerade in einem Meeting, wenn das passiert“, sagt Professorin Nina Rogenhofer, kommissarische Leiterin des Hormon- und Kinderwunschzentrums am Campus Großhadern der LMU.

Ihre Patientinnen finden sich häufig in derartigen unangenehmen Situationen wieder – während der hormonellen Übergangsphase, der sogenannten Perimenopause, die zwischen 40 und 64 Jahren auftritt, leidet rund ein Drittel aller Frauen unter Hitzeattacken. Hormone nehmen keine Rücksicht auf wichtige Termine oder berufliche Verpflichtungen, kennen weder Scham- und Taktgefühl. „Und in den Wechseljahren spielen sie nun mal ziemlich verrückt“, sagt Rogenhofer.

„In der Perimenopause sind die hormonellen Schwankungen im Vordergrund, bis die Periode dann schließlich ausbleibt", sagt Nina Rogenhofer am Campus Großhadern der LMU.

© Manu Theobald / LMU

»Je mehr wir verstehen, desto besser können wir Wechseljahrbeschwerden behandeln, aber da ist noch Luft nach oben.«

Nina Rogenhofer

Vasomotorische Symptome, besser bekannt als Hitzewallungen oder Hot Flashes, sind eine häufige Begleiterscheinung der Wechseljahre. Jener Zeit also, in der der weibliche Körper seine Fruchtbarkeit verliert und die Produktion der Geschlechtshormone Östrogen und Progesteron herunterfährt. Diese hormonelle Umstellung kann sich bis zu zehn Jahre hinziehen und beginnt vor der letzten Regelblutung. „In der Perimenopause schwankt der Hormonspiegel stark, der Zyklus wird unregelmäßig und es kann zu typischen Wechseljahrbeschwerden kommen“, erklärt Rogenhofer. Erst ein Jahr nach der letzten Regelblutung spricht man von der Postmenopause, durchschnittlich sind Frauen zu diesem Zeitpunkt 52 Jahre alt. „In der Perimenopause sind die hormonellen Schwankungen im Vordergrund, bis die Periode dann schließlich ausbleibt. Wechseljahrbeschwerden können aber noch eine Weile anhalten. Liegt dann ein Östrogenmangel vor, steigt das Risiko etwa für Osteoporose und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.“

Typische Beschwerden wie Hitzewallungen, Schlaflosigkeit, Konzentrationsstörungen, Stimmungsschwankungen, Kopf- oder Knochenschmerzen werden also erst durch starke Hormonschwankungen und später durch einen Hormonmangel begünstigt. Wobei das nicht für alle Frauen gilt, wie Rogenhofer betont: Man geht davon aus, dass ein Drittel weitgehend beschwerdefrei durch die Wechseljahre kommt, ein Drittel ist davon zumindest nicht im Alltag beeinträchtigt und ein Drittel leidet massiv darunter. Gene, Gewicht und Lebensstil beeinflussen, wie man durch die Wechseljahre kommt – aber noch weiß niemand genau, warum manche Frauen kaum etwas spüren und andere durch die Hölle gehen.

© Susan Wilkinson / unsplash

Werden Frauenleiden weniger ernst genommen?

Die Medizin stellt das vor eine besondere Herausforderung: Es gibt eine große Personengruppe mit teils heftigen Beschwerden, aber keine Krankheit – schließlich ist die Hormonumstellung im Alter ein natürlicher Prozess. Das mag ein Grund dafür sein, warum das Thema in der Forschung lange wenig beachtet wurde. Hinzu kommt ein Gender Bias, also die nachgewiesene Neigung der Medizin, Frauenleiden weniger ernst zu nehmen und als psychisch abzutun.

Umso wichtiger ist es Nina Rogenhofer, Frauen gut durch die Wechseljahre zu begleiten – obwohl das aufgrund der Vielfalt und Dauer der Beschwerden oft eine große Herausforderung ist. „Hormone sind ein äußerst komplexes Gebiet, das neben viel Fachwissen auch Feingefühl, Zeit und manchmal fast detektivische Fähigkeiten erfordert.“

Studien und Medikamente müssen differenziert betrachtet werden, so Rogenhofer. Nach wie vor gibt es große Wissenslücken. Was eine entscheidende Rolle bei Hitzewallungen spielt, wurde erst vor Kurzem entschlüsselt. „Östrogen spielt eine wichtige Rolle für die Thermoregulation des Körpers, weil es dafür zuständige Neurotransmitter im Gleichgewicht hält“, erklärt Rogenhofer. Insbesondere sogenannte KNDy-Neuronen, ausgesprochen wie das englisch Wort Candy, stehen dabei im Fokus: Das sind Nervenzellen, die Botenstoffe wie Kisspeptin, Neurokinin B und Dynorphin A freisetzen. Sinkt der Östrogenspiegel, kann das Gleichgewicht dieser Botenstoffe durcheinandergeraten – was wiederum die KNDy-Neuronen in Alarmbereitschaft versetzt. Sie werden überaktiv und können so Hitzewallungen auslösen.

»Es wäre aber wünschenswert, wenn es nicht nur eine effektive Behandlung gäbe.«

Nina Rogenhofer

Das Beispiel verdeutlicht, wie wichtig Forschung auf dem Gebiet ist: Seit bekannt ist, wie Hitzewallungen zustande kommen, gibt es auch wirksame Medikamente dagegen. Der Wirkstoff Fezolinetant etwa blockiert Rezeptoren für den Botenstoff Neurokonin B – und lindert damit Hitzewallungen und Nachtschweiß effektiv. Das Medikament wurde Anfang 2024 in Deutschland zugelassen. „Je mehr wir verstehen, desto besser können wir Wechseljahrbeschwerden behandeln“, sagt Rogenhofer, „aber da ist noch Luft nach oben.“

Hormonexpertin Nina Rogenhofer in ihrem Büro

Hormonexpertin Nina Rogenhofer in ihrem Büro

© Manu Theobald / LMU

Hoffnung macht ihr, dass in den letzten Jahren viel Bewegung in das Thema gekommen ist. Nachdem zuletzt viele Tabus rund um den Zyklus gebrochen wurden, scheinen die Wechseljahre nun mehr Aufmerksamkeit zu bekommen. Nicht zuletzt, weil Studien gezeigt haben, dass Wechseljahre nicht nur eine gesundheitliche, sondern auch eine ökonomische Dimension haben. Daten aus Großbritannien zeigen zum Beispiel, dass rund 42 Prozent der Frauen aufgrund von Wechseljahresbeschwerden darüber nachdenken, ihre Arbeitszeit zu reduzieren oder ihren Beruf aufzugeben.

Trotz Forschungslücken und Nachholbedarf: Ganz machtlos steht die Medizin hormonellen Beschwerden im Klimakterium nicht gegenüber. Eine Hormonersatztherapie etwa ist eine effektive Möglichkeit, sie zu dämpfen. Doch sie kommt nicht für alle Frauen infrage – und ist auch nicht von allen gewollt, weil sie das Brustkrebsrisiko erhöhen kann, wenn auch nur marginal. Zwar hält Rogenhofer viel von der Gabe bioidentischer Hormone, weil sie für die meisten Frauen mehr Vor- als Nachteile hat und sie zusätzlich vor Osteoporose, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen schützen kann. „Es wäre aber wünschenswert, wenn es nicht nur eine effektive Behandlung gäbe“, sagt sie.

Blume im Detail

© Susan Wilkinson / unsplash

Neben der Einnahme von Hormonen und neuen Medikamenten gegen Hitzewallung bleibt nicht viel. Nur reichlich Bewegung, gesunde Ernährung und ein normales Gewicht können helfen, gut durch die Wechseljahre zu kommen. Mitunter kann auch die Einnahme von Phytoöstrogenen helfen. Das sind pflanzliche Stoffe, die in ihrer chemischen Struktur dem Hormon Östrogen ähneln, deshalb die gleichen Rezeptoren besetzen und so regulierend auf den Hormonhaushalt wirken können. Doch ihre Wirkung ist nicht klar genug belegt und kann bei starken Beschwerden nicht ausreichen.

Die Studienlage zu bioidentischen Hormonen ist dagegen gut. Überhaupt plädiert Rogenhofer dafür, Hormonersatztherapien nicht zu verteufeln. „Bei einer Schilddrüsenunterfunktion sind alle froh, dass es bioidentische Hormone gibt. Aber sobald es um Geschlechtshormone geht, sind oft viele Ängste im Spiel.“ Über Hormone könnte die Ärztin noch ewig sprechen. Doch die Zeit ist knapp, im Wartezimmer sitzen zwei Paare, die mit ihr über ihren Kinderwunsch sprechen möchten. Eine Abschlussfrage also noch: Gibt es ein Lieblingshormon? Rogenhofer nickt: „Glückshormone wie Dopamin, Serotonin oder Endorphine. Ich finde irre spannend, wie sie unsere Stimmung beeinflussen. Schon ein Lächeln kann ihre Produktion ankurbeln“, sagt Rogenhofer – und lächelt zum Abschied breit.

Prof. Dr. med. Nina Rogenhofer ist Frauenärztin und Hormonexpertin und leitet kommissarisch das Hormon- und Kinderwunschzentrum am Klinikum Großhadern der LMU.

Mehr heiße Themen dieser Ausgabe:

Lesen Sie weitere Beiträge aus dem LMU-Forschungsmagazin im Online-Bereich und verpassen Sie keine Ausgabe, indem Sie den kostenlosen Magazin-Alert aktivieren!

Wonach suchen Sie?